Was gehört mir, und wer gehört wem?

Urs Marti-Brander
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Ein jeder hat, so wie er ist, ein Eigentum an sich selbst, sonst könnte er nicht er selbst sein.
Richard Overton, An Arrow against all Tyrants, 1646.

 

Gehört ein Mensch sich selbst? Die Frage ist nicht absurd. So grausam die Geschichte der Versklavung von Menschen ist, so absonderlich jene ihrer Rechtfertigungen. Bis heute ist das politische Denken konfrontiert mit der Frage nach der Rechtmässigkeit privaten Eigentums und der faktischen Enteignung so vieler Menschen, denen es an elementaren Ressourcen fehlt. Ein Blick auf die Argumente von Aristoteles, den Levellers – einer tendenziell egalitären politischen Bewegung im 17. Jahrhundert – und John Locke zeigt, wie viel Phantasie aufgeboten worden ist, um die Trennung der Menschheit in zwei Klassen zu legitimieren.

 

Sklaverei – ein Recht der Natur?

Ist die Versklavung von Menschen rechtens? Aristoteles beruft sich auf ein Recht der Natur.[i] Was «von Natur herrscht und beherrscht wird, muss sich zu seiner Erhaltung zusammenschliessen; denn was mit dem Verstand weitblickend fürsorgen kann, [...], gebietet despotisch von Natur, was aber mit dem Körper arbeiten kann, [...], ist von Natur Sklave. Deswegen nützt ein und dasselbe dem Herrn und dem Sklaven» (Aristoteles, Pol I, 2, 1252a). Wer imstande ist, einem anderen zu gehören, gehört einem anderen (ebd. 1254a). Eine bemerkenswerte Argumentation, zumal Aristoteles einräumt, selbst ein edler Grieche könne, im Krieg besiegt, zum Sklaven werden. Den Sklaven definiert er als beseeltes Werkzeug und Eigentum des Herrn.

 

Freiheit, Gleichheit, Eigentum – eine schwierige Kombination

Eine halbwegs demokratische Bewegung entsteht in England Mitte des 17. Jahrhunderts mit den Levellers. Konsequente Levellers, Gleichmacher, waren sie nicht, politische Rechte wollten sie ausschliesslich ökonomisch unabhängigen Männern zugestehen, nicht LohnarbeiterInnen, BettlerInnen und AlmosenempfängerInnen. Dies wurde gerechtfertigt mit der Begründung, ökonomisch Abhängige dürften keine Stimme haben, da sie ihrem Herrn untertan und gezwungen seien, dessen politische Interessen zu vertreten (Macpherson 1973, 143). Die Levellers feiern den Ausschluss der Bediensteten als Sieg der angeborenen Freiheit (ebd. 127). Sie postulieren ein individuelles Recht auf Eigentum und Freiheit – Eigentum an der eigenen Person und den eigenen Fähigkeiten, Freiheit als Verfügungsrecht über eigene Güter und Besitzungen, das Recht, damit zu tun, was den Eignern beliebt, die Forderung, Besitz nicht zu nivellieren, privates Eigentum nicht anzutasten und kein Gemeineigentum zu schaffen. «Das Individuum hat nicht nur das Eigentum an seiner Person und seinen Fähigkeiten […], vielmehr ist es dieses Eigentum, dieser Ausschluss anderer Menschen, was den Menschen erst zum Menschen macht». «Ein jeder hat, so wie er ist, ein Eigentum an sich selbst, sonst könnte er nicht er selbst sein», so formulierte es der Leveller Overton (ebd. 161–163). Die Natur hat jedem Individuum ein unantastbares Eigentum gegeben. Menschen sind gleich geboren, haben Anspruch auf gleiches Eigentum und gleiche Freiheit. Die hehren Grundsätze beziehen sich wohlverstanden nicht auf die Besitzlosen, diese sind einverleibt in den Herrn, ihre Arbeitskraft haben sie veräussert, fortan ist sie wie ihr Stimmrecht in derjenigen des Herrn enthalten (ebd. 168f.).

 

[i] Unter Naturrecht versteht man Rechte, die allen Menschen aufgrund ihrer «Natur», also ihres Wesens, ihrer Bedürfnisse und Fähigkeiten zukommen. Aristoteles gesteht den SklavInnen keine allgemein  menschliche Natur zu.